Warum sollte man Verlagsredakteur*in werden wollen?
Weil man es liebt – oder sehr gut darin ist –, Medien hinsichtlich ihres Zielgruppenzuschnitts, ihrer inhaltlichen Richtigkeit, ihres formalen Aufbaus inkl. technischer Leitlinien sowie auf Sprache, Stil und Binnenlogik zu prüfen, Überarbeitungen vorzunehmen und unterschiedliche Versionen zu kollationieren. Ja, darin mag ein gewisser Hang zur Pedanterie ausgelebt werden; er wäre sogar willkommen.
Wenn man es zusätzlich mag, Verlagsprogramme (mit) zu planen, Autor*innen und ihre Texte zu begleiten, Begleitmaterial wie Klappen- oder Pressetexte zu schreiben, ist schon eine gewisse Grundlage gegeben, in diesem Beruf erfolgreich, vielleicht sogar glücklich zu werden. Zwei Abgrenzungen sind wichtig:
1. Die Verlagsredaktion ist nicht gleichbedeutend mit dem Lektorat.
Zwar gibt es Überlappungen und Schnittstellen dieser Arbeitsbereiche; in kleineren Verlagen oder in der Freiberuflichkeit sogar derart, dass beide Aufgabengebiete von derselben Person bearbeitet werden. Wir können aber vom Produkt aus, z.B. dem fertigen Buch, denken. Der Anteil der Redaktion ist, dass das Buch inhaltlich, sprachlich, technisch und formal korrekt ist. Der Anteil des Lektorats ist, dass das Buch eine angemessene inhaltliche, sprachliche und formale Qualität hat, sinnvolle Anknüpfungspunkte zu anderen Büchern im Verlagsprogramm und dass der Veröffentlichungsprozess wie geplant eingehalten werden kann.
2. Verlagsredaktion meint nicht dieselbe Tätigkeit wie Zeitungs- oder Radioredaktion.
Auch hier gibt es wieder Ähnlichkeiten, und im Einzelfall auch insgesamt eine hohe Nähe. Jedoch produzieren Redakteur*innen in Zeitungen oder Medienanstalten deutlich mehr eigenständige Inhalte als dies Verlagsredaktionen tun. Sie schreiben also Beiträge und produzieren sie ggf. auch für den Einsatz in unterschiedlichen Medien, z.B. Radio, Blog und Social Media. Verlagsredakteur*innen hingegen konzentrieren sich auf die Recherche und Überprüfung der Texte und Medien anderer Autoren und Autorinnen.
Wie kannst Du Verlagsredakteur*in werden?
Da es keinen rechtlich vorgeschriebenen Ausbildungs- und Einstiegsweg gibt, hast Du unterschiedliche Möglichkeiten, z. B. nach einem philologischen Studium oder einem Studium, das dem fachlichen Schwerpunkt des Verlags entspricht, in ein Volontariat zu gehen oder Dich direkt auf eine freie Stelle zu bewerben. Auch ein fließender Einstieg über zunächst lockere Arbeitsbeziehungen wie ein Praktikum oder freie Mitarbeit ist denkbar. Neben dem Studium kommen auch Wege über Ausbildungen rund um Verlagswesen, Text und Content ebenso in Frage wie journalistische Ausbildungen. Auch Fremdsprachenkorrespondent*innen oder Kaufleute für Büromanagement oder Bürokommunikation sowie Medienkaufleute können mit entsprechendem Interesse einsteigen. Die Einstellungskriterien – und auch der Stellenzuschnitt – werden letztlich von den Unternehmen je nach Bedarf festgelegt. Es kann im Bewerbungsprozess erforderlich sein, Arbeitsproben einzusenden.
Auch die Freiberuflichkeit ist eine Option für Redakteure und Redakteurinnen, dann häufig im Tätigkeitsmix mit anderen Verlagsdienstleistungen. Hier kann das Lektorat ins Spiel kommen, ebenso Konzeption und Contenterstellung bis hin zu Pressearbeit und Marketing. Auch die Gründung eines Textbüros mit vielfältigen Dienstleistungen rund um Text und Buch bis hin zu Werbetexten ist eine Option.
Neben der Variation der Arbeitsorganisation bietet Verlagsredaktion auch verschiedene mediale Spezialisierungen, z.B. die Bild-, Musik- oder Onlineredaktion. Je nach Ausrichtung des Verlags kommen inhaltliche und mediale Schwerpunkte hinzu. Absolvent*innen mit Lehramtsabschluss etwa können als Redaktion bei Schulbuch- und Lernmedienverlagen einsteigen und dort die Publikationen der Fächer betreuen, die sie selbst studiert haben. Gemeinsam mit Autor*innen und Designer*innen entwickeln sie Unterrichtswerke, Lernprogramme und -spiele. Ihr Aufgabenbereich ist dann stärker konzeptionell geprägt, als es die „reine“ Überprüfung von gelieferten Inhalten wäre.
Du kannst also Verlagsredakteur*in werden, indem Du Dich mit einer einschlägigen Ausbildung oder einem affinen Studium auf ein Volontariat oder eine Ausschreibung bewirbst oder als freie*r Redakteur*in Dienstleistungen wie Korrektorat und Redaktion für Verlage anbietest. Das kann durchaus bereits während des Studiums oder während einer anderen Berufstätigkeit in Nebentätigkeit erfolgen. Studierende philologischer Studiengänge können sich auf die Professionalisierung der Textarbeit konzentrieren, z.B. Textbearbeitung, Edition, Korrektur, Recherche, Quellenarbeit, Feedback geben, Programme kennenlernen.
Da Studium und Ausbildung in der Regel eher in ihrer Anlage beiläufig wichtige Kompetenzen für die Redaktion vermitteln, nicht jedoch eine strukturierte Ausbildung auf den Beruf hin, ist es für den Einstieg ratsam und für die Beschäftigungssicherung zentral, sich zu professionalisieren und weiterzubilden. Häufig interessieren sich Menschen für die Redaktion, weil sie intuitiv über eine hohe Stilsicherheit und Sprachkompetenz verfügen; eine wunderbare Gabe. Für die Ausübung als Beruf ist es allerdings hilfreich, diese Gabe mit strukturierten Fähigkeiten anzureichern, etwa mit Wissen um Einsatzmöglichkeiten von Software, systematisches Korrekturlesen oder zielgruppenspezifische Anforderungen wie leichte Sprache. Anbieter für diese Fortbildungen sind z.B.
- der Verband freier Lektorinnen und Lektoren e.V.
- die Akademie der BücherFrauen e.V. und
- die Akademie der Deutschen Medien
Weitere Weiterbildungsanbieter auch für Spezialisierungen findest Du in meinem Blogartikel: 10 Tipps für Weiterbildungen rund ums Buch - Brotgelehrte
Studierende philologischer Studiengänge und der Kommunikationswissenschaften können natürlich auch Studienangebote nutzen oder eine akademische Nebentätigkeit suchen, um sich auf die Professionalisierung ihrer Textarbeit konzentrieren, z.B. Textbearbeitung, Edition, Korrektur, Recherche, Quellenarbeit, Feedback geben, Programme einsetzen. Einschlägige Nebentätigkeiten sind die Begleitung von Publikationen oder die Erstellung von Lernmedien als Hilfskraft; da es an vielen Instituten eigene Publikationsorgane gibt, ist eine ehrenamtliche oder entlohnte Mitarbeit an dieser Zeitschrift oder Reihe ebenfalls eine Option. Nicht zuletzt gibt es Hochschulverlage und Hochschulpressestellen, bei denen erste praktische Erfahrungen gesammelt werden können.
Trends
Perspektiven ergeben sich derzeit vor allem aus dem Wandlungsprozess der Branche, sodass die Kombination aus klassischer „handwerklicher“ Textarbeit und digitaler Erweiterungen und Veränderungen vorteilhaft ist. Darum ist die eingangs erwähnte Abgrenzung der Redaktion vom Lektorat einerseits und der Contenterstellung/Produktion andererseits nicht unumstößlich; im Gegenteil: Flexibilität heißt hier auch eine Flexibilität hinsichtlich der Tätigkeiten, Branchengewohnheiten und der Anforderung der Kanäle, über die die Inhalte verbreitet werden.
Da die klassischen Printmedien ihren Betrieb reduzieren und auch Verlage ihre Produktpalette verändern, organisieren sich Redakteur*innen zunehmend, jedoch nicht immer freiwillig, in der Freiberuflichkeit oder arbeiten für Verlagsdienstleister. Die Festanstellung als Redakteur*in bei einem Verlag ist zwar immer noch eine Variante, aber nicht mehr die Norm zur Ausübung der Tätigkeiten. Insofern können wir eine Veränderung der Arbeitsorganisation auch unter die Trends rechnen.
Für die Recherche kommen zunehmend Text- oder Audio-Mining-Systeme zum Einsatz. Das Projektmanagement im Verlag wird digital unterstützt mit Dokumenten- und Autorenmanagementsystemen sowie KI-gestütztem Wissensmanagement. Für die Erstellung von Standardtexten gehören Textroboter zum erweiterten Kolleg*innenkreis. Hier verändern sich entsprechend Prozesse, die Rolle der Redaktion kann ausführende Tätigkeiten verlieren und steuernde, konzeptionelle Aufgaben hinzugewinnen.
Und, lohnt es sich finanziell?
Zur Orientierung können wir die Tarifverträge für Beschäftigte in Verlagen heranziehen. Sie werden regional abgeschlossen; Dachverband ist ver.di Tarifinformationen für Beschäftigte in Verlagen – ver.di (verdi.de) Die Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gibt als beispielhafte monatliche Bruttogrundvergütung ca. 4.000€ an. Dies bezieht sich auf eine Vollzeitstelle mit einigen Jahren Berufserfahrung in Anstellung und ist meiner Recherche nach schon das obere Ende der Gehaltsskala.
Für die Kalkulation der Preise als freiberufliche*r Redakteur*in sei auf die Empfehlungen des VfLL verwiesen: Honorare im Lektorat - VFLL.
Was sind die nächsten Schritte?
- Verschaffe Dir, falls noch nicht geschehen, einen Überblick über Verlage mit eigener Redaktion, Verlagsdienstleister und Freiberufler und Freiberuflerinnen, die Korrektorat und Redaktion anbieten, in Deiner Region.
- Nimm Kontakt auf; frage nach Möglichkeiten zum Praktikum, zur Hospitation, zur freien Mitarbeit, zur Aufnahme in Bewerbungspools.
- Folge Verlagen, Verlagsdienstleistern etc. in den sozialen Medien. Tritt in Austausch mit Kommentaren und Fragen.
- Wenn die Entscheidung steht, nutze die offenen Treffen von VfLL, BücherFrauen und anderer Branchennetzwerke, um Einblick in die Arbeit der Netzwerke zu gewinnen und Informationen über Trends und offene Stellen zu erhalten.
- Definiere Dein Profil als Redakteur*in, ggf. mit entsprechenden Spezialisierungen wie Online- oder Bildredaktion oder auch weiteren Tätigkeiten wie Lektorat, Übersetzung oder eigene Contenterstellung. Entscheide, inwieweit Du vom Berufswunsch Redaktion zugunsten anderer Tätigkeiten bei Verlagen abweichen würdest, und verschaffe Dir einen Überblick über Einstiegsprogramme, z.B. bei Einstiegsmöglichkeiten - holtzbrinck-careers.com. Werde sichtbar, bewerbe Dich und trage Dich in Bewerberpools ein. Einen Bewerberpool hat z.B: Karriere bei Bertelsmann - Bertelsmann SE & Co. KGaA
Viel Erfolg!
Unsere Autorin
PD Dr. Mareike Menne führt u.a. Workshops für Hochschuleinrichtungen durch, berät Führungskräfte und Teams, moderiert Veranstaltungen und begleitet Prozesse und (Forschungs-)Projekte. Zu ihren Auftraggeberinnen gehören u.a. zentrale Weiterbildungseinrichtungen, Gleichstellungsstellen, SFBs und Graduiertenkollegs, Forschungsgruppen, Institute und Fakultäten und Einzelpersonen.
www.mareikemenne.de