Welche Fragen kann ich im Vorstellungsgespräch stellen?

Veröffentlicht am 16.08.2023 von Sarah Omphalius
Fragen im Bewerbungsgespräch
Welche Rückfragen kann ich als Bewerber*in stellen? © Stefan Höning

Keine Angst vor Fragen im Bewerbungsgespräch
Welche Fragen bringen mich weiter im Berufsleben und wie stelle ich sie richtig?

Bewerbungstipps gibt es wie Sand am Meer und gerade Studierende und Auszubildende erhalten Empfehlungen, die nicht immer für die Buch- und Medienbranche funktionieren. Das liegt zum einen daran, dass Big-Corporate-Ideas, die auf den amerikanischen Tech- oder Finanzsektor zugeschnitten sind, nicht auf unsere Branche übertragen werden können. Andere Tipps erscheinen allgemein fragwürdig. Im Laufe meiner Kolumnen-Recherche über den Berufseinstieg ist mir immer wieder der Verweis auf Bewerberfragen begegnet, die nicht ernstgemeint sind. Ratgeber empfehlen, für ein Bewerbungsgespräch vorab 20 Fragen aufzuschreiben. So sollen die Bewerber*innen am Ende eines Interviews die Aufforderung: „Möchten Sie noch etwas von uns wissen?“, mit einer Frage parieren können, die noch nicht im Verlaufe des Gespräches beantwortet wurde. Die Idee als solche erscheint sinnvoll, aber in den Ratgebern wurden Beispiel-Fragen genannt, die so allgemein waren, dass sich die Antwort schon mit einem kurzen Blick auf die Ausschreibung oder die Website erschließt. Ziel der Übung scheint es nicht, sich vernünftig auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten oder mehr über das Arbeitsklima zu erfahren, sondern lediglich am Ende des Interviews noch irgendeine Frage übrig zu haben. Über die Sinnhaftigkeit dieser Empfehlung musste ich lange nachdenken. Ist denn wirklich jede Frage sinnvoll?

Aus der Schulzeit kennt jeder vermutlich Sätze wie „Traut euch, Fragen zu stellen“ oder „Es gibt keine dummen Fragen“.  Und obwohl diese Aufrufe meistens Anlass gaben, dass besonders unnötige Fragen gestellt wurden, sind sie meiner Meinung nach sowohl richtig als auch unterschätzt. Denn jede Frage, die tatsächlich aus Unkenntnis und nicht aus Desinteresse gestellt wird, ist hilfreich, weil sich durch die Beantwortung das Wissen vermehrt. Dumm ist eine Frage nur dann, wenn der Fragende nicht die Intention hat, neues Wissen zu erlangen.

Fragen gibt es quasi in jeder Größenordnung. Die großen Menschheitsfragen Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? können vermutlich nur Philosoph*innen beantworten, wenn überhaupt. Und natürlich stellt sich jeder Mensch die zentralen Lebensfragen: Was macht mich glücklich? Wie stelle ich mir die Zukunft vor? Welcher Beruf passt zu mir und wie erreiche ich ihn? Wie kann ich Privatleben und Karriere sinnvoll vereinbaren? Während die großen Menschheitsfragen zwar intellektuell interessant sind, helfen sie im Alltag nicht unbedingt weiter. Die Lebensfragen können dagegen zu einem Leitfaden für die eigene Entwicklung werden. Sie ermöglichen es nicht nur, zum Beispiel in einem Bewerbungsgespräch Auskunft über sich und seine Pläne zu geben, sie helfen auch dabei, an einen potenziellen Arbeitgeber die richtigen Fragen zu richten, wie diese Ziele am neuen Arbeitsplatz zu erreichen sind.

Bei der Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch zielt der Hinweis, viele Fragen zu stellen und sich unbedingt eine für das Ende aufzusparen, in die falsche Richtung.  Es kann nicht ausreichen, in die Pose des Fragenden zu schlüpfen, wenn dem Gegenüber deutlich wird, dass man eigentlich gar nicht an der Antwort interessiert ist – oder wenn die Fragen so weit vom Thema wegführen, dass daraus leicht erkennbar wird, dass der Fragende sich überhaupt nicht auf das Bewerbungsgespräch vorbereitet hat. Welche Bücher gibt der Verlag denn so heraus? ist sicher keine Frage, die man stellen sollte, wenn man schon zum Vorstellungsgespräch geladen ist. Diese Frage zeigt, dass man nicht einmal die Website des Verlages kurz überflogen hat und macht mit Sicherheit keinen guten Eindruck.

Fragen allein kann also auch zu einem unerwünschten Ergebnis führen. Mein Tipp also: Informiert Euch vor einem Bewerbungsgespräch so umfassend wie möglich. Auf jeden Fall solltet Ihr Fragen stellen – aber nur solche, an deren Beantwortung ihr auch interessiert seid. Meistens ergeben sie sich aus den Website- Einträgen. Detailfragen Wie ist denn das genau? können zeigen, dass Ihr Euch vorab informiert und mitgedacht habt. Das bringt Pluspunkte.

Außerdem ist es wichtig, Fragen zum Arbeitsklima oder zur Aufgabenverteilung zu stellen. Auch hier sind spezifische Fragen König, denn auf die allgemeine Frage „Wie ist das Arbeitsklima?“ wird jeder positiv antworten, oder schlimmer noch mit: „Wir sind eine große Familie.“ Dagegen kann es beispielsweise hilfreich sein, nach einem konkreten Ansprechpartner in der Abteilung zu fragen. Wenn der mögliche Arbeitgeber direkt eine Person benennen kann, ist dies sehr häufig ein gutes Zeichen für klare Strukturen und Aufgabenverteilungen. Eine solche Person kann dir bei der Priorisierung der Aufgaben helfen und häufig führt allein ihre Anwesenheit dazu, dass neue Mitarbeiter*innen nicht unstrukturiert und über die Maßen von allen Seiten Aufgaben bekommen.

Und obwohl ich ein großer Fan von Fragen aller Art bin, müssen natürlich nicht alle beantwortet werden. Fragen werden heute vielfach zweckentfremdet. Manche Menschen schlüpfen in die Rolle des Fragenden, obwohl sie ganz andere Intentionen als die Suche nach Antworten verfolgen. Beispielsweise wird die Frage in der Politik und Gesellschaft immer mehr dazu missbraucht, die besseren Argumente des Gegners in Zweifel zu ziehen – und zwar ohne Gegenargumente und Fakten. „Ich frag ja nur…“ Auch im Arbeitsleben kommt es zu Fragen, die keiner Antwort bedürfen. So ist es seit 2006 mit dem Inkrafttreten des Paragraph eins des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) Unternehmen verboten, Frauen in einem Bewerbungsgespräch nach ihrer Familienplanung zu fragen. Trotzdem sehen sich Bewerber*innen damit immer noch konfrontiert. Es ist also wichtig, die Intention einer Frage zu analysieren und gegebenenfalls nicht zu antworten.

Man selbst sollte nie aufhören inhaltliche Fragen zu stellen, auch wenn man den Job oder das Praktikum schon ergattert hat, sonst stagniert man. Die Freude an der Arbeit bleibt eher bestehen, wenn man sich durch gezieltes Fragen weiterbildet.

Und zum Schluss kommen wir zu dem Elefanten im Raum: Die Frage nach dem Geld! Während es beim Jobinterview klar ist, dass dieses Thema kommen wird und meistens  die Arbeitgeber*innen die Verhandlung eröffnen, ist dies im Personalgespräch eher die Ausnahme. Hier müssen die Mitarbeiter*innen aktiv werden, ihre Vorstellungen äußern und ihre Argumente vorbringen. So oder so muss man auf diese Frage sehr gut vorbereitet sein und ein konkretes Ziel vor Augen haben.


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Mein Fazit: Wenn ihr euch Bewerbungstipps aus Ratgebern und Co holt, stellt auch diese in Frage.

 

Autorinnenprofil:

Sarah Omphalius studiert im Master Buchwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Während eines Auslandssemesters an der Universidad Complutense de Madrid verschaffte sie sich außerdem Einblicke in den Studiengang der Mediendokumentation. In der Branche setzt sie sich aktiv für Zukunftsthemen ein und ist beispielsweise Teil der Jury des Nachhaltigkeits-Awards der dpr. Seit 2020 organisiert sie den jährlich stattfindenden Weiterbildungstag der Jungen Verlags- und Medienmenschen und war Teil des Vereinsvorstands von 2021 bis 2023. Sie schreibt Kolumnen über den Berufseinstieg, die Debattenkultur und allgemeine Branchenthemen aus Sicht einer Young Professional.