Dr. Sven Sommerlatte ist Chief HR Officer und beschäftigt sich auf seinem YouTube-Kanal, Blog und in seinem Buch mit Karrieremanagement. Mit uns sprach er über Karrierestrategien.
Was hat Ihr Interesse für dieses Thema ausgelöst?
Ausgangspunkt war meine eigene Erfahrung. Zu einem recht frühen Zeitpunkt meiner beruflichen Entwicklung stand ich vor der richtungsweisenden Frage: Wo will ich mit meiner Laufbahn hin? Nach dem BWL-Studium war es zunächst in Richtung des General Management gegangen, bis ich dank hilfreicher Karriereberatungsgesprächen darauf kam, was meinem tieferen Interesse viel näherkommen würde, nämlich HR.
Was hat diese Erkenntnis ausgelöst?
Ich war damals interner Berater in einem Großkonzern. Bestanteil der Projektarbeit war es, Gespräche zu führen, um die Sachlage zu erfassen. Wenn nach fünf solcher Gespräche meine Beraterkolleg*innen erschöpft waren, konnte ich gar nicht genug dieser Interaktionen bekommen. Ich hatte ein leidenschaftliches Interesse daran, mehr von den Menschen zu erfahren. Bei der Auswertung konnte ich über Organisationsfragen hinaus, zunehmend auch meine Meinung zu Motivation, Kompetenzen und Arbeitsklima einbringen. So habe ich meine Leidenschaft für HR entdeckt und seither in diesem Beruf viel Spaß.
Welchen Tipp leiten Sie daraus ab?
Mein Rat: Stelle sicher, dass Du Deine tiefere Leidenschaft erkennst, und mache sie zur Grundlage Deiner Karrierestrategie.
Sie haben kürzlich ein Buch zum Thema der Karrierestrategie veröffentlicht. Verfügen denn viele Menschen über eine Strategie?
Nein, erstaunlicherweise nicht. Dabei setzen viele Menschen erhebliche Zeit dafür ein, sich um die strategische Ausrichtung Ihrer Firma oder Ihres Geschäftsbereichs oder Ihres Produktes zu kümmern. Aber nur wenige haben ihre eigene berufliche Entwicklung strategisch durchdacht und auf der Basis eines längerfristigen Karriereplans ausgerichtet. Das ist immer wieder überraschend.
Was sind die Konsequenzen einer fehlenden Karrierestrategie?
Man stolpert opportunistisch von einer Position in die andere und hangelt sich so nach oben. Einige erkennen dann viel später, dass sie ihren eigentlichen Wünschen nicht gefolgt sind und nehmen dann nicht selten einen beruflichen Neustart vor. Aber sie haben dann viel Zeit verloren. Andere verlieren wertvolle Zeit mit Tätigkeiten, die ihnen nicht die zielführenden Erfahrungsbausteine verschaffen, die sie für die Erreichung ihres Traumjobs benötigen.
Diejenigen die sich ihre Karrierestrategie erarbeitet haben, wären dem zufolge anderen im Wettbewerb um die Top-Positionen überlegen? Haben Sie das als Personalchef beobachten können?
Ja. Das entscheidende ist dabei die Erfahrungsbasis. Wer seinen Traumjob erkannt hat, kann daraus ableiten, welche Erfahrungs- und Kenntnisbausteine erforderlich sein werden, um eines Tages für diesen Job in Betracht gezogen zu werden. Desto ambitionierter das Karriereziel ist, desto wichtiger ist es, frühzeitig dafür zu sorgen, alle relevanten Erfahrungsbausteine zu sammeln. Dazu könnte beispielsweise Auslandserfahrung zählen oder bestimmte funktionale Erfahrungen (wie z.B. Marketing UND Vertriebserfahrung) etc.
Könnten Sie uns ein typisches Beispiel dafür aus Ihrer Praxiserfahrung benennen?
Lassen Sie mich die Auslandserfahrung nehmen. Interkulturelle Sensibilität ist in unserer globalen Welt sehr gefragt. Es ist bekanntlich viel einfacher, internationale Berufserfahrung am Anfang seiner Karriere zu erhalten, denn da sind die familiären Anforderungen meist viel geringer. Gewinner*innen sind daher jene, die ganz gezielt dafür sorgen, diese Erfahrung frühzeitig zu gewinnen.
Wenn Sie einen Rat aussprechen könnten, um seine Karrierestrategie zu bestimmen, welcher wäre es?
Am liebsten würde ich gleich zwei Ratschläge mitgeben! Der erste Rat ist, gleich mit der Arbeit an seiner Karrierestrategie zu beginnen. Einfach loslegen. Die wichtigsten Fragen lauten: Was ist meine Leidenschaft? Welcher Traumjob entspricht dieser Leidenschaft? Was ist meine gegenwärtige Erfahrungsbasis? Welche Erfahrungen und Kenntnisse erfordert der Traumjob? Wie kann ich die Erfahrungs- und Kenntnislücke schließen, bzw. welche Karriereschritte könnten es mir erlauben, diese Erfahrungen und Kenntnisse zu erhalten? Welches könnte eine logische Abfolge dieser Karriereschritte sein? Das sind die Kernfragen der Karrierestrategie. Wichtig ist es, einen ersten Wurf zu machen und diese Strategie dann im Laufe seines beruflichen Werdeganges regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Also am besten gleich damit starten!
Sie wollten einen zweiten Rat hinzufügen. Welcher ist das?
Zweitens würde ich empfehlen, recht frühzeitig einen Karrierebeirat einzuberufen. Denn die Arbeit an der Karrierestrategie sollte nicht im stillen Kämmerlein erfolgen. Da braucht man den Rat und die Erfahrung anderer. Idealerweise sollte jemand dabei sein, der Sie richtig gut kennt sowie eine Person, die Ihren Industriezweig gut kennt und noch jemand, der Ihren funktionalen Bereich kennt (z.B. Finanzen, Supply Chain, Produktion, HR, Marketing, etc.). Diesem Karrierebeirat sollten Sie Ihren Karriereplan vorlegen und sich mindestens einmal pro Jahr besprechen, denn der Plan bedarf in unserer schnelllebigen Zeit einer ständigen Anpassung.
Welche Veränderungen haben Sie beobachten können, was die Anforderungen an Mitarbeiter*innen betrifft?
Gerade diejenigen, die Führungsverantwortung übernehmen wollen, stehen neuen Herausforderungen gegenüber. Mit dem traditionellen „Command and Control“ kann man heute seine Teams nicht mehr motivieren und Toptalente nicht mehr anziehen. Auf Menschen einzugehen und sie in ihrer Entwicklung zu fördern, wird mehr denn jeher erwartet. Die Fähigkeit gutes Feedback zu geben. Die Stärken seiner Teammitglieder zu erkennen und auszubauen. Vertrauen aufzubauen und auf dieser Basis Höchstleistung zu ermöglichen und zu fordern. Hohe Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen anzubieten und dafür zu sorgen, dass das Team dennoch einen starken Zusammenhalt und ein hohes Maß and Miteinander erleben kann…. All dies sind die Herausforderungen der inspirierenden und Coaching-orientierten Führung. Zunehmend wird auch die Fähigkeit über soziale Medien Einfluss ausüben zu können, Wissen zu sammeln, eine breitere Community für seine Themen zu interessieren und diverse Profile integrieren zu können erwartet. Die Millennials, die heute größere Führungsverantwortung übernehmen, sind uns da voraus und wir können von ihnen lernen.
Um heute eine gute Karriere machen zu können, muss man offensichtlich nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch verstärkt auch Führungskompetenzen mitbringen?
Genau. Neu ist es nicht, dass Führungskompetenz wichtig ist. Aber die Ansprüche an die Führung steigen fortlaufend. Entscheidend ist dabei die Selbstkenntnis. Sie ist meiner Meinung nach die Grundlage guter Führung. Die Karriere sollte als lebenslanger Lernprozess verstanden werden, der es erlaubt, ständig mehr über sich selbst zu erfahren. Die Berufswelt stellt enorme Anforderungen an uns und wir können uns daher in ständig neuen Situationen beobachten und entwickeln. Auch diese Selbstkenntnis sollte mit dem Karrierebeirat besprochen werden. In welchen Situationen kann ich in meinem Verhalten Entgleisen und die Kontrolle über mich verlieren? Was sind im Gegenteil die Situationen, in denen ich mich voll auf meine Talente und Stärken stützen kann? Wie werde ich wahrgenommen? Wie kann ich für ein noch besseres Arbeitsumfeld meines Teams sorgen, um Höchstleistung zu erzielen? Diese und viele andere Fragen dieser Art bringen uns weiter. Das ist ein wahnsinnig spannender lebenslanger Lernprozess, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen.
Erfolgreiche Karrierestrategie
Der Weg zum Traumjob
Sven Sommerlatte (Autor)
Springer Berlin
ISBN: 978-3-662-64842-1
173 Seiten
29,99 EUR (DE), gebundener Ladenpreis
Lesen Sie hierzu passend auch unseren Beitrag Wie (er)schaffe ich eine erfüllende Karriere?