Das Arbeitsleben gestaltet sich seit der Digitalisierung schnelllebiger. Viele Beschäftigte sind heute über mehrere Kanäle erreichbar, auch außerhalb der Bürozeiten. Ablenkungen nehmen zu. Entsprechend sind die psychischen Belastungen größer geworden. Diese Herausforderungen sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Viele Krankmeldungen sind auf psychische Leiden zurückzuführen.
Kurzfristiger Stress steigert die Arbeitsleistung und ist in Spitzen normal. Wenn dieser andauert, wird er zu einem Problem! Und Sie sollten bereits Anzeichen ernst nehmen. Denn frühzeitig kann man mit Bewältigungsstrategien gegenwirken. Wir haben deshalb mit dem Experten Dr. Kay Flothow gesprochen. Lesen Sie im Folgenden Tipps, um die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu erhalten. Wie können Sie mit Stress umgehen?
1. Verstehe, was Stress wirklich bedeutet!
„Stress“ bezeichnet die natürliche biochemischen Reaktion des eigenen Körpers auf eine Bedrohung bzw. als Bedrohung oder besondere Herausforderung erlebte Situation! Der eigene Körper schüttet verstärkt aktivierende biochemische Botenstoffe (z. B. Adrenalin) aus und reduziert gleichzeitig beruhigende Botenstoffe (z. B. Melatonin). Ein „gestresster“ Mensch ist somit leistungs- und widerstandsfähiger als im Normalzustand. „Stress“ als kurzfristiger Zustand ist also hilfreich. Kritisch wird es erst, wenn die Situation als andauernd bedrohlich und psychisch belastend erlebt wird. Befindet sich der eigene Körper nämlich über lange Zeit im biochemischen Ungleichgewicht beginnt die sogenannte „Erschöpfungsspirale“. Die gute Nachricht aus dieser Erkenntnis heraus: Du kannst dieser psychischen Belastung u. a. durch körperliche Aktivität entgegenwirken und deinen Körper in einen ausgeglichenen biochemischen Zustand „entstresst“ zurückführen.
2. Mache dir unmissverständlich klar, wie stark, du belastet bist!
Eine psychische Belastung durch Stress kann sich zeigen: körperlich (z. B. unspezifische Schmerzen, Schlafstörungen), emotional (z. B. Reizbarkeit, Unruhe, Niedergeschlagenheit, Gefühl der Sinnlosigkeit), kognitiv (z. B. Konzentrations- und Erinnerungsprobleme, Entscheidungsschwäche, Gedanken an Flucht).
Wenn du also ein oder mehrere solche für dich bisher unüblichen Symptome bei dir feststellen solltest, arbeite dagegen umgehend an. Denn zu Beginn kannst du die Belastungssituation noch alleine (auf)lösen. Manifestiert sich der Zustand irgendwann, gelangst du an einen Punkt in dem du unbedingt Hilfe von Partnern, Freunden, Ärzten, Coaches oder Therapeuten benötigst. Mach dir dann unbedingt klar, dass Hilfe zu erbitten keine Schwäche ist, sondern unbedingt notwendiger Selbstschutz.
3. Identifiziere Bewältigungsstrategien, die zu deinen Hauptstressoren passen!
Der erste Schritt, mit dem eigenen Stress besser umzugehen beginnt mit der Identifikation dessen, was dich stresst. Welche Situationen führen bei dir (immer wieder) zu Herzklopfen, Verkrampfungen, Magenschmerzen, Wut, Frustration oder Resignation?
Ist es ein bestimmtes Verhalten von Menschen in deiner Umgebung? Ist es Zeitdruck oder die Arbeitslast? Ist es dein eigener Anspruch? Ein „Stressauslöser-Tagebuch“ zu führen, kann bei der Beantwortung helfen.
Im zweiten Schritt gilt es, die passende Bewältigungsstrategie zu finden. Du kannst dazu:
- Deine Stessauslöser reduzieren („Nein-Sagen“, Änderungen einfordern, Zeitmanagement optimieren, Denk- und Ruhepausen fest einplanen, Umgangsregeln im Team vereinbaren etc.)
- Deine Stressauslöser anders bewerten (die eigenen inneren „Antreiber“ kennen und bearbeiten, Handlungsmantren, z. B. love it or change it or leave it, anwenden, das Positive im Stressauslöser, z. B. über das Wertequadrat, identifizieren etc.)
- für Ausgleich sorgen durch (Bewegung, Sport, Entspannungs- und Atemübungen, soziale Kontakte, Musik etc.)
4. Überführe die gewählten Maßnahmen in Alltagsroutinen!
Jede Änderung „eingefleischten“ Verhaltens braucht Zeit. Soll eine Bewältigungsstrategie erfolgreich wirken, solltest du sie fest und für längere Zeit ins tägliche Handeln integrieren. Dies gelingt dann am besten, wenn: du dir erreichbare Ziele setzt, gut in deinen Tagesablauf integrierbare Maßnahmen wählst (z. B. beim Zähneputzen, auf dem Weg zur Arbeit) und dir jemanden oder etwas suchst, dass dich daran erinnert, was du dir vorgenommen hast (z. B. Aktivitäten oder Vereinbarungen mit Freunden oder anderen Bezugspersonen, feste „Blocker“ im Kalender oder sichtbar angebrachte „Anker“ in Form von Symbolen, Bilder oder Worten).
ALSO: Kein Stress mit dem Stress!
Über den Autor:
Dr. Kay Flothow ist Geschäftsführer von Dr. Flothow & Partner. Hier berät er als Karriere-Experte unter anderem zu Change Management, Führungskräfteentwicklung, Teamentwicklung und Performance Management