Wie du nach der Arbeit abschalten kannst

Veröffentlicht am 27.11.2023 von Christine Kühnle
Wie kommt man nach der Arbeit zur Ruhe? © Christine Kühnle

Das Thema "mentale Gesundheit" ist heutzutage in aller Munde und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Fähigkeit, nach der Arbeit mental abzuschalten, um ausreichende Erholung zu ermöglichen. Aber was heißt eigentlich genau „abschalten“ und wie kann man das lernen?

„Was sagst du dazu, Marie?“

Marie schreckt hoch. „Wie bitte? Was hast du gerade gesagt? Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken noch bei der Arbeit.“ So oder so ähnlich spielt es sich abends in vielen Haushalten ab. Ertappt?

Während der Arbeit freust du dich auf den Feierabend und die Zeit mit deinen Lieblingsmenschen – aber wenn du dann mit ihnen zusammensitzt, bist du oft nur körperlich anwesend und deine Gedanken kreisen immer noch um die Arbeit.

Manchmal sogar bis in den Schlaf hinein suchst du Lösungen für Probleme, analysierst Gespräche und schreibst gedankliche To-do-Listen.

Dabei ist nicht das Problem, dass du an die Arbeit denkst, sondern dass du dich Gedanken hingibst, die dich belasten. Du kommst mit deinen Gedanken in einen Strudel, der immer schneller wird, der immer mehr Themen umfasst und das Gefühl der Belastung immer größer werden lässt. Willkommen im Gedankenkarussell.

Negative Gedanken erzeugen negative Gefühle. Da unser Körper nicht zwischen realen und gedanklichen Belastungssituationen unterscheiden kann, lösen diese Gedanken dieselbe Stressreaktion aus wie reale Ereignisse.

Mit der Folge, dass dein Stresslevel auch nach der Arbeit hoch bleibt. Obwohl jetzt dringend Erholung nötig wäre, um in einem gesunden Wechsel von Anspannung und Entspannung zu leben.

Wenn dauerhafter Stress für dich zur Norm geworden ist, lebt dein Körper in einem Zustand permanenter Anspannung. Je länger dieser Zustand anhält, desto größer ist das Risiko, eine Vielzahl von Stresssymptomen zu entwickeln. Diese können sich körperlich, emotional und mental äußern. Dazu zählen unter anderem Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche, allgemeine Unzufriedenheit und eine verringerte Fähigkeit zur Empathie. Außerdem steigt die Anfälligkeit für stressbedingte Erkrankungen.

Anhaltender Stress beeinflusst somit deine Gesundheit, dein persönliches Wohlbefinden, aber auch die Qualität der Zeit, die du mit deinen Liebsten verbringst. Es gibt also viele gute Gründe, das Abschalten zu lernen.

Lass uns anschauen, wie du das erreichen kannst:

Vom Arbeitsmodus zum Entspannungsmodus: Strategien für eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit

Zunächst zeige ich dir bewährte Methoden, die dir helfen, eine bewusste Trennung herzustellen und den Übergang in deinen Feierabend zu erleichtern.

Hier und im Folgenden gilt: Du bist individuell und dein Stress ist individuell. Wähle die Tipps aus, die dir am besten dienen und ignoriere, was für dich weniger relevant ist.

Lerne Prioritäten zu setzen

Konzentriere dich jeden Tag auf die wichtigsten Aufgaben. So hast du abends das gute Gefühl, bei den wirklich wichtigen Dingen weitergekommen zu sein. Das nimmt dir mentalen Druck.

Mache eine schriftliche Tages- oder Wochenplanung

Das gibt dir einen klaren Überblick über deine Aufgaben und damit die Sicherheit, nichts Wichtiges zu vergessen. Erledigte Punkte kannst du abhaken und damit deine Erfolge sichtbar machen.
 

Setze deiner Arbeitszeit ein klares Ende

Räume zum Beispiel am Arbeitsende deinen Schreibtisch auf. Oder reflektiere den Tag und plane den nächsten vor. Dies hilft dir, gedanklich von der Arbeit loszulassen.

Homeoffice: Unterstütze die Trennung von Arbeit und Freizeit

Wenn du von zuhause aus arbeitest, kannst du zum Beispiel einen kurzen Spaziergang als deinen "Arbeitsweg" nach der Arbeit einlegen, um eine mentale Trennung zu unterstützen. Es ist außerdem hilfreich, wenn dein Arbeitsbereich räumlich vom Freizeitbereich getrennt ist.

Gestalte deine Freizeit

Plane auch unterhalb der Woche bewusst Aktivitäten ein, auf die du dich freust. Sie schaffen schöne Erlebnisse, bringen dich auf andere Gedanken und erinnern dich an das, was in deinem Leben Priorität hat.

Viele dieser genannten Dinge haben mit äußeren Strukturen zu tun, die dich beim Abschalten unterstützen. Jetzt kommen wir zum Kern des Abschaltens – dem direkten Einfluss auf deine Gedanken.

 

Mentale Strategien für einen entspannten Feierabend

Abschalten heißt nämlich nicht, überhaupt nicht mehr an die Arbeit zu denken oder das Denken gleich ganz abzustellen. Sondern es geht darum zu lernen, Einfluss auf die Themen und die Intensität deiner Gedanken zu gewinnen. Der Chef im eigenen Kopf zu werden.

Werde dir deiner Prioritäten bewusst

Was ist dir im Leben wirklich wichtig? Welche Dinge haben Priorität? Schreibe sie auf und sortiere sie nach Wichtigkeit. Welchen Stellenwert haben Gesundheit, Beziehungen, Freiheit, Zufriedenheit usw.? An welcher Stelle steht der Job?

Hier ist die spannende Frage, warum du dem Job so viel gedanklichen Raum gibst, obwohl er vermutlich keinen der Top-Listenplätze belegt. Es kann sein, dass du darauf noch keine Antwort hast. Aber ich möchte dich dazu ermuntern, dich auf die Suche nach den Antworten zu machen. Damit kommen wir zum nächsten Punkt:

Beschäftige dich mit deinen inneren Antreibern

Die entscheidende Frage ist: Erlaubst du es dir von ganzem Herzen, Feierabend zu machen und deine Freizeit zu genießen?

Wenn du darauf nicht klar und frei „ja“ antwortest, könnten deine inneren Antreiber die Ursache dafür sein. Die häufigsten sind:

  1. Ich möchte alles richtig gut machen. Ich darf mir keine Fehler erlauben.
  2. Ich muss durchhalten. Ich muss mir meine Pausen erst verdienen.
  3. Ich möchte alles unter Kontrolle haben. Ich mache alles lieber selbst.
  4. Ich möchte gemocht werden. Ich möchte niemanden verärgern.
  5. Ich muss es alleine schaffen. Ich möchte nicht um Hilfe bitten.

Meistens sind es innere Stimmen dieser Art, die das Loslassen der immer wiederkehrenden Gedanken verhindern. Weil sie z. B. dafür sorgen, dass wir ständig alles bewerten. Situationen, andere Menschen, aber vor allem uns selbst. Das erzeugt viel Druck.

Wenn du weißt, welche inneren Stimmen deinen Stress verstärken, kannst du daran arbeiten, sie zu entkräften. Du gewinnst damit innere Distanz und kannst dich gedanklich leichter von der Arbeit lösen.

In diesem Prozess kann es sehr sinnvoll sein, sich Unterstützung von außen zu holen. Ein objektiver Blick, sei es durch einen Coach, einen Therapeuten oder eine Vertrauensperson, kann neue Perspektiven eröffnen und dir helfen, deine inneren Antreiber besser zu verstehen und zu bewältigen.

Journaling – schreibe deine Gedanken auf

Nimm dir Zeit, um deine Gedanken aufzuschreiben. Es ist emotional entlastend und hilft dir, den unübersichtlichen Gedankenstrudel in konkrete Worte zu fassen. Du gewinnst Klarheit über die zentralen Themen und kannst sie zielgerichteter angehen. Auch deine inneren Antreiber werden dir dadurch bewusster. 

Meditation – lerne deine Gedanken zu beobachten und sie loszulassen

Mit Hilfe der Meditation kannst du üben, deine Gedanken wahrzunehmen, ohne tiefer in sie einzusteigen. In der Stille lernst du, deine Gedanken einfach nur zu beobachten und sie dann wie Wolken am Himmel vorüberziehen zu lassen. Je geübter du darin bist, umso leichter wird es dir auch im hektischen Alltag gelingen.

Praktiziere Achtsamkeit

Wer wahrnimmt, kann nicht denken. Versuche, dich so oft wie möglich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren – auf das, was du siehst, hörst, riechst und fühlst.

Dieser Zustand der Präsenz gibt dir eine Pause vom ständigen Gedankenstrom. Diese Unterbrechung kannst du nutzen, um dich bewusst für ein anderes Thema zu entscheiden. Auch das braucht ein wenig Übung, die sich aber auszahlen wird.

Übe Dankbarkeit und öffne deinen Blick für die positiven Dinge im Alltag

Den Tag mit einer Dankbarkeitsübung zu beenden, kann den Fokus von der Arbeit weg und hin zu den positiven Aspekten des Lebens verschieben. Notiere dir z. B. täglich 3 Dinge, für die du dankbar bist.

Mit der Zeit wirst du auch tagsüber immer mehr Dinge wahrnehmen, für die du dankbar bist – was den Themen der Arbeit weniger Bedeutung geben wird.

Abschließend wenden wir uns nun einem weiteren wichtigen Aspekt zu: dem Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Lass uns gemeinsam anschauen, welche Rolle dein körperlicher Zustand beim Abschalten spielt.


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Strategien für den Körper: Entspannter Körper – entspannter Geist

Wie bereits erwähnt, lösen belastende Gedanken eine Stressreaktion aus. Diese zeigt sich auch körperlich: Dein Herz schlägt häufiger, dein Atem geht schneller und flacher, deine Muskeln sind angespannt und du bist unruhig.

Ein entspannter Körper hingegen signalisiert deinem Gehirn, dass keine unmittelbare Gefahr besteht und beruhigt somit auch deinen Geist. Indem du lernst deinen Körper zu entspannen, kannst du auch mentale Ruhe finden.

Sorge für ausreichend Bewegung

Bist du zu viel im Kopf, ist körperliche Betätigung ideal, um die Energie von deinem Kopf in den Körper fließen zu lassen. Durch sportliche Aktivitäten wird die Stressreaktion effektiv heruntergefahren. Dafür musst du dich nicht in anstrengenden Sportarten verausgaben. Ein langer Spaziergang oder Gartenarbeit sind schon ausreichend.

Lerne eine Entspannungstechnik

Es gibt eine Vielzahl an Entspannungsmethoden. Wichtig ist, die passende für dich zu finden. Ob es nun Progressive Muskelentspannung, Yoga oder etwas anderes ist: wähle eine Technik, die dir gefällt – damit du sie regelmäßig praktizieren wirst.

Mit kontinuierlicher Übung bist du in der Lage, schnell und bewusst einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen.

Meditation bietet den zusätzlichen Vorteil, sowohl Entspannung zu fördern als auch ein Bewusstsein für deine Gedanken zu schaffen.

 

Fazit

Das Abschalten nach der Arbeit ist eine wichtige Fähigkeit, die allerdings aktiv entwickelt und gepflegt werden muss. Es beginnt mit einer bewussten Entscheidung, die hier besprochenen Strategien auszuprobieren und anzuwenden.

Es geht beim Abschalten nicht darum mit dem Denken aufzuhören – sondern den Inhalt deiner Gedanken aktiv zu beeinflussen und eine innere Distanz zu ihnen aufzubauen. Dieser Übungsprozess erfordert ein bisschen Zeit und Geduld.

Die Methoden zur klaren Trennung von Arbeit und Freizeit, sowie eine bewusste Entspannung des Körpers unterstützen dich zusätzlich dabei, die Gedanken an die Arbeit loszulassen.

Es lohnt sich, verschiedene Ansätze auszuprobieren und zu schauen, was für dich persönlich am besten funktioniert. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um Fortschritt. Jeder Schritt, den du unternimmst, um besser abzuschalten und dich zu entspannen, ist ein Schritt hin zu mehr Lebensqualität und Wohlbefinden.

 

Autorinnenprofil:

Christine Kühnle, zertifizierte Stress- und Burnout-Coachin, Personal Coach und Entspannungstrainerin, begleitet Menschen, die sich durch die alltäglichen Anforderungen belastet fühlen und einem Burnout vorbeugen wollen. Mit einem tiefen Verständnis für die emotionalen und mentalen Herausforderungen bietet sie individuelle 1:1-Mentorings und Workshops an. Sie legt besonderen Wert auf die Entwicklung individueller Lösungsansätze, da sie fest davon überzeugt ist, dass eine erfolgreiche Stressbewältigung eine sehr persönliche Reise ist. Zudem bietet sie Workshops für Unternehmen an, die aktiv zur mentalen Gesundheit ihrer Mitarbeiter beitragen möchten. Durch ihr Engagement im Bereich des mentalen Wohlbefindens wurde Christine Kühnle 2023 in der Kategorie „Mindset Master“ für den Red Fox Award nominiert.

www.christine-kuehnle.de 
Ihr Podcast „Free your mind – Gelassenheit statt Gedankenkarussell