New Work – Wie wandelt sich die Arbeitswelt von heute?

Veröffentlicht am 21.02.2023 von MVB
© Angelika Stehle

medien.jobs im Interview mit Juliane Seyhan. Frau Seyhan setzt sich aktiv für eine moderne Arbeitskultur ein. Mit ihrer Agentur minds + matches vertritt sie Speakerinnen und Speaker rund um die Themen Transformation, New Work und Diversity. Zuvor betreute sie 15 Jahre lang als Programmleiterin und Lektorin Wirtschaftsbücher in namhaften Verlagen.

Wir haben sie zum Thema New Work und die Arbeitswelt von heute befragt. Im Interview gibt sie Einblicke in die Veränderungsprozesse und wie sich Führungskräfte bzw. Unternehmen auf diese einstellen können.  

Welche Veränderungen bringen neue Arbeitsweisen für Arbeitnehmer*innen sowie für Führungskräfte mit sich?

Häufig sind Veränderungen in der Praxis größer als in der Theorie. Wenn beispielsweise ein Prozess im Unternehmen verändert wird, ändern sich häufig auch Zuständigkeiten und Hierarchien. Ein Beispiel, was das für Medienhäuser heißt: die Einführung eines neuen Redaktionssystems oder eines neuen Produktionsprozesses ist mehr als nur ein neues Tool oder ein neuer Ablauf. Es bedeutet auch, dass Inhalte ganz anders erstellt und strukturiert werden müssen als bisher – und dass alle, die die Inhalte produzieren, also Lektorinnen und Lektoren oder Redakteurinnen sowie Redakteure und natürlich die Autorinnen und Autoren selbst – ihre Arbeitsweise ändern müssen. 

Das ist erst einmal nichts Schlimmes. Aber es ist wichtig, das von Anfang an im Blick zu haben, das zu kommunizieren und auch diesen Wandel zu begleiten. 

Das gilt unabhängig von Tools und Prozessen generell für alles, was wir unter dem Begriff “Neue Arbeit” oder “New Work” fassen. Im Prinzip geht es um erfolgreiche und produktive Zusammenarbeit in der modernen Arbeitswelt. Vieles, was unsere Arbeit heute noch prägt, sind jahrzehntealte Entwicklungen, der Tausch (Arbeits-)Zeit gegen Lohn/Gehalt etwa. Technologien und auch unsere Wertvorstellungen haben sich so sehr weiterentwickelt – dann sollte es die Art, wie wir arbeiten, auch tun.  

Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann, der den Begriff New Work Anfang der 1980er Jahre entwickelte, beschrieb es so: “New Work ist eine andere Art, Arbeit zu organisieren. Die Absicht ist, Arbeit so zu organisieren, dass sie nichts ­Gezwungenes ist, sondern dass man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will.”[1]

Was können Unternehmen tun, um neue Mitarbeiter*innen zu finden und für diese attraktiv zu sein? (Stichwort Fachkräftemangel)

Ich glaube, da gibt es nicht die eine Lösung – jedes Unternehmen muss die Herausforderung Fachkräftemangel individuell für sich lösen. Aber hier ein paar Ideen:

  • Mehr Flexibilität für Teilzeitlösungen, um auch Menschen mit Care-Aufgaben (also: meistens Frauen) zu gewinnen.
  • Innovative Recruiting-Strategien, interne Talent-Pools aufbauen, Mitarbeitende gezielt weiterentwickeln.
  • Die Bewerbung einfach machen: für schlanke Bewerbungsprozesse und gute Kommunikation sorgen.
  • An einer wertschätzendenden, diskriminierungsfreien und inklusiven Unternehmenskultur arbeiten.
  • Wenn es schwierig ist, für einen bestimmten Unternehmensstandort Mitarbeitende zu finden: prüfen, inwieweit Remote Work möglich ist, aktiv nach Lösungen suchen. Oder überlegen, inwieweit man sich mit anderen Unternehmen der Region zusammenschließen kann, um Benefits für Mitarbeitende zu organisieren.
  • Simpel, aber passiert in der Praxis noch viel zu selten: die Mitarbeitenden einfach fragen! Was finden sie gut an ihrer Arbeit, was wünschen sie sich? Oft sind das keine Feelgood-Maßnahmen wie Yogakurse in der Mittagspause, sondern einfach gute Prozesse, die das Arbeiten angenehm machen, oder der gute Zusammenhalt im Team. Um hier ehrliche Antworten zu bekommen, braucht es natürlich auch eine entsprechend offene und vertrauensvolle Kultur im Unternehmen.

Auch hier ist vieles eine Frage der Haltung. Ich beobachte zwei Arten von Unternehmen: diejenigen, die sich für einen bestimmten Weg der Zusammenarbeit entscheiden und dann alles dafür tun, das umzusetzen (zum Beispiel die Möglichkeit, 100% im Homeoffice zu arbeiten). Und diejenigen, die erst einmal mit einer “Geht nicht”-Mentalität an Dinge herangehen. Letztere werden es wohl zunehmend schwer haben, Mitarbeitende zu finden und zu halten.

Wie können sich Führungskräfte/Unternehmen auf neue Standards in der Personalführung vorbereiten?

Ich glaube, wir brauchen keine neuen Standards; so einfach ist es leider – oder zum Glück? – nicht. Statt Tools oder Methoden brauchen wir vor allem eine neue Haltung zum Thema Führung. Also: die Führungskraft nicht als Expertin oder Experten, der/die alles weiß, alles beantwortet, alles entscheidet, sondern vielmehr als jemand, der/die die Rahmenbedingungen für produktive und gute Arbeit im Team schafft. Nicht mehr und nicht weniger.


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Das macht die Leitungsaufgabe für Führungskräfte aus meiner Sicht anspruchsvoller, denn es gibt eben kein festes Regelwerk mehr, man muss viel mehr im Team aushandeln, sich selbst hinterfragen. Gleichzeitig öffnet es auch Raum für ein besseres Miteinander und, da bin ich mir sicher, bessere Ergebnisse.