Bewerben als Lektor*in

Veröffentlicht am 18.10.2022 von MVB und Niclas Dewitz
Wie wird man Lektor in einem Verlag?
Wie sind meine Chancen als Lektor*in? © Stiftung Warentest

Für viele Menschen ist das Lektorat ein Traumberuf. Aber ohne einen Blick hinter die Kulissen bleiben viele Fragen offen. Denn wie gelangt man in diesen Beruf? Welche Anforderungen müssen Bewerberinnen wirklich erfüllen, um als Lektor in einem Verlag tätig zu werden? Wie steht es um die Chancen für Quereinsteiger*innen?

Um dem auf den Grund zu gehen und Einblicke in die vielseitige Welt des Lektorats zu gewähren, haben wir uns mit Niclas Dewitz, dem Cheflektor des Buchbereichs bei der renommierten Stiftung Warentest, unterhalten. 

 

Welche Fertigkeiten muss man mitbringen, um bei Ihnen in der Projektsteuerung oder in der Grafikabteilung zu arbeiten?

Die Fähigkeit gut, freundlich, vor allem aber effektiv zu kommunizieren, steht neben allen fachlichen Anforderungen bei uns ganz oben auf der Wunschliste. Wir haben festgestellt, dass die Fähigkeiten, mit anderen nach einer Lösung suchen zu wollen, Hilfe anzubieten und anzunehmen, uns als Team enorm wichtig sind. Kurz gesagt: Schwarmintelligenz ist für uns wichtiger als Genie. Wer schon mal in einem agilen Umfeld gearbeitet hat und das als Bereicherung empfunden hat, ist uns dabei besonders willkommen. Viele würden sich die oben genannten Fähigkeiten nämlich sofort zuschreiben, aber erst in der täglichen Arbeit zeigt sich, ob man sich wirklich dabei wohl fühlt. Am wichtigsten aber ist, dass man sich solch eine transparente Art zu arbeiten und viel mit anderen in den Austausch zu gehen, überhaupt vorstellen kann.

Was ist für Sie ein No-Go in einer schriftlichen Bewerbung oder in einem Vorstellungsgespräch?

Unser Kerngeschäft ist das Konzipieren und Gestalten von Büchern. Dazu gehört auch die Wahl des richtigen Tons und eine Vorstellung davon, zu wem man mit seinem Produkt eigentlich spricht. Unter diesem Gesichtspunkt lese ich auch Bewerbungen. Spricht hier jemand wirklich zu uns und wirklich über sich? Gelingt es der Bewerberin oder dem Bewerber, auf begrenztem Raum alle Informationen, die wichtig sein könnten, unterzubringen und überrascht mich die Art der Präsentation sogar? Die Bewerbungsunterlagen sind in unserem Bereich bereits die erste Arbeitsprobe. Grafikerinnen und Grafikern ist das auch meist bewusst, aber bei Bewerbungen für Stellen aus dem Textbereich, als Lektor*in oder Projektleiter*in, staune ich doch ab und an über die Lieblosigkeit und Austauschbarkeit der Texte und die Hilflosigkeit bei der Anordnung und Aufbereitung von Informationen zum Beispiel im Lebenslauf. Wird ein bisschen Gestaltungswille deutlich, macht mich das als Buchmensch glücklich. Im Bewerbungsgespräch finde ich es ärgerlich, wenn sich die Bewerberin oder der Bewerber überhaupt nicht mit unseren Produkten beschäftigt hat. Das ist dann für beide Seiten verschwendete Zeit. Leider passiert das aber erstaunlich häufig. Wer spätestens bei der Einladung zu einem Gespräch in die Auseinandersetzung mit unseren Produkten und Werten ebenso viel Zeit und Ideen investiert wie in seine Bewerbungsunterlagen, macht alles richtig.

Unter welchen Voraussetzungen würden Sie Quereinsteiger*innen als Lektor*in einstellen?

Ich persönlich finde den Mut von Quereinsteiger*innen, sich einer völlig neuen Aufgabe zu stellen, ganz bewunderungswürdig. Bei uns im Verlag gab es schon sehr gelungene Quereinstiege und auch mal einen, der völlig danebengegangen ist. Wie ich oben schon erwähnte, ist die Einstellung wichtig: Wer agile Werte als seine eigenen betrachtet und diese idealerweise in seinem Beruf schon mal gelebt hat, seine Erfahrungen aus der agilen Projektarbeit bei uns einbringen kann, hat gute Voraussetzungen, auch bei uns als Teamplayer mitspielen zu können.

Aus welchen Bereichen kommen Ihre Teammitglieder*innen im Lektorat Bücher?

Bei uns sind Biologen, Kunsthistorikerinnen, Programmierer, Philosophinnen beschäftigt. Der Schwerpunkt liegt aber inzwischen klar auf dem geisteswissenschaftlichen Bereich. Es ist uns wichtig auch in diesem Bereich wieder diverser zu werden, denn jede Diversität ist gut für das Team, bringt neue Ideen und Sichtweisen ins Spiel. Früher hatten wir beispielsweise auch zwei Pharmazeutinnen bei uns im Team. Grundsätzlich ist uns jede und jeder willkommen.


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Inwieweit arbeiten die Projektleiter*innen und Grafiker*innen mittlerweile von zu Hause aus (Remote Work)?

Das kann jeder Mensch bei uns selbst entscheiden. Fast alles ist von zu Hause oder einem anderen Ort aus möglich. Für manche Workshops hat es sich bewährt, wenn man sich in die Augen schauen kann und auch unmittelbar mitkriegt, wie andere reagieren, das geht dann einfach schneller. Für solche Fälle kommen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen dann vor Ort zusammen. Es ist immer ein schöner Moment, wenn man sich mal wieder richtig sieht. Manche wollen die direkte Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen nicht missen und kommen mehrmals die Woche ins Büro. Wir sitzen im Herzen Berlins und viele Kolleg*innen haben es nicht weit zu uns. Aber es gibt auch einige, die nur alle zwei Wochen vorbeischauen. Wie gut man als Team funktioniert und sich austauscht, hängt ja heute zum Glück nicht mehr davon ab, dass man sich drei Mal täglich an der Kaffeemaschine trifft. Wir haben gut ausgebaute digitale Tools für die Zusammenarbeit. Das macht von überall aus Spaß und ist effektiv.

 

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel Berufsbild Lektorat.