Wie ein entspannter Jobwechsel mit 50+ gelingen kann

Veröffentlicht am 22.05.2023 von medien.jobs und Martina Frahn
© Stefan Höning

Ein Jobwechsel bzw. die berufliche Umorientierung ist nicht immer leicht. Und oft wächst mit dem Alter auch die Angst – ob diese Angst überhaupt begründet ist, haben wir bei der HR-Karriereberaterin Martina Frahn erfragt:

Klischee oder Fakt: Wie sehen die Chancen von Bewerber*innen ab 50/60+ aus?

Nach meiner Erfahrung wird es sehr unterschiedlich gesehen und gehandhabt. Es gibt Unternehmen, bei denen Bewerber*innen Ü50 gar keine Probleme haben. Ganz im Gegenteil, sie werden sehr gerne gesehen. Zum Beispiel in der Gesundheitsbranche. Der Job bleibt zwar körperlich anstrengend, aber dennoch werden diese Bewerber*innen gerne genommen.

Andere Unternehmen haben hohe Vorurteile wie in der Medienbranche: Dort ist die Offenheit wesentlich geringer.

Letztendlich kommt es aber auf die Menschen in den Unternehmen an, die neue Mitarbeiter*innen suchen. Je gefestigter sie in sich selbst sind, desto offener stehen sie dem Alter und seiner Erfahrung gegenüber. Denn dann sehen sie diese Erfahrung nicht als Gefahr, sondern als Bereicherung.

Dazu kommt die Gesamtausrichtung der Unternehmen. Immer mehr Firmen stellen sich offen dem Thema “Altersdiversität”. Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass die Babyboomer bald die Unternehmen verlassen werden, wurden in der Vergangenheit keine ausreichenden Prozesse eingeführt. Das Wissen dieser Generation wird ungenutzt und ungespeichert abfließen.

Unternehmen, die sich dessen nun bewusst sind, stellen oft hektisch die dringend notwendigen Prozesse jetzt noch auf. Eine gute Unterstützung für das Halten oder die Neueinstellung für Bewerber*innen Ü50 können unterschiedliche Angebote sein. Dazu gehören flexible Arbeitsmodelle, die Förderung weiteren Lernens und die bewusste Einführung gemischter Teams, um voneinander zu lernen – in beide Richtungen. Dann läuft der Dialog. Das Wissen wird im Unternehmen verankert und die Zusammenarbeit kann gut laufen.

Ü50 wird mit zunehmendem Alter schwierig. Je näher der/diejenige der 60 rückt, desto schwieriger wird es. Unternehmen übersehen, dass diese Mitarbeiter*innen noch einige Jahre verlässlich bei ihnen arbeiten werden, da sie meist keine Karriereziele mehr haben, sondern einen verlässlichen Arbeitgeber suchen.

Grundsätzlich sehe ich es so, dass Bewerber*innen Ü50 gute Chancen haben, wenn sie sich ihres Wertes bewusst sind und ihn in die richtigen Worte fassen können, um Unternehmen zu überzeugen.

Gleichzeitig müssen sie ihre Erwartungen an die Erwartungen der Unternehmensseite anpassen. Es muss ein gemeinsamer Dialog und Abgleich entstehen, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Was sollte man wissen, bevor man sich zur Umorientierung/Jobwechsel entscheidet? Wem würden Sie davon abraten?

Ich rate jeder/m, der/die sich ernsthaft neu orientieren will dazu, das auch zu tun. Allerdings nicht unbedacht und ins Blaue hinein, sondern mit klarer Vorbereitung.

Folgende Fragen können dabei helfen:

  • Was kann ich?
  • Welche Erfolge habe ich und wie nützen sie in einer neuen Aufgabe/einem neuen Arbeitgeber?
  • Was will ich nicht? Worauf lasse ich mich nicht mehr ein?
  • Kann ich mich auf die modernen Kommunikationskanäle/Businessnetzwerke wie LinkedIn und XING einlassen oder nicht?
  • Was braucht das zukünftige Umfeld von mir, was ich von mir zeigen muss, damit es mir im Bewerbungsprozess vertraut?

Das Allerwichtigste ist aus meiner Sicht nicht der Wille. Nicht ein „weg von“, sondern ein klarer Wunsch: Da will ich hin. Weil ich das und das mitbringe und mich dort richtig gut einbringen kann.

Denn es ist schön, wenn ich weiß, was ich machen möchte. Aber das ist kein Spiel und kein nice-to-have, sondern in diesem Umfeld will ich eine neue Existenz aufbauen.

Dazu gehört, sich seiner selbst bewusst zu sein. Aber auch zu wissen, wie dieses System, in das ich möchte, tickt und was es von mir braucht, um zu verstehen, warum ich dorthin passe.

Deshalb rate ich jeder/m davon ab, der/die keine klaren Vorstellungen hat und sich „nur“ verwirklichen will. Der Beruf kann eine Verwirklichung sein, ist aber in erster Linie die Grundlage für das Überleben in unserer Gesellschaft. Und erst in zweiter Linie die berufliche Erfüllung.


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Nicht nur ein Unternehmenswechsel, sondern auch die Ausübung eines völlig neuen Berufsfeldes kann gelingen. Mehr dazu in unserem Artikel „Auf Umwegen: Bewerben als Quereinsteiger*in“